Fränkische Nachrichten, 23.04.2024

Neue Lieder unter neuer Leitung

A-cappella-Gesang aus vier Jahrhunderten erklingt in der Schlosskirche

Nach dem Weihnachtskonzert im Dezember übergab Professor Karl Rathgeber die Leitung des Chor Cappella Nova an Esther Witt. Unter der neuen Chorleiterin entstand nun ein spannendes Programm unterschiedlicher A-cappella-Werke.

Ein letztes fröhliches Winken, ein aufmunterndes Augenzwinkern: „Keine Sorge, die macht das schon!“ Im selben Augenblick war Professor Karl Rathgeber zur Tür draußen. Von diesem Moment an war es endgültig: Der Chor Cappella Nova hat einen neuen Chorleiter – Pardon, eine Chorleiterin! Es war Sympathie auf den ersten Blick – beiderseits. Bereits 2023, an einem Probenwochenende, begeisterte Esther Witt den Chor als Stimmbildnerin. Einige Monate später bot man ihr die Chorleitung an, und sie stimmte zu. „Ich erlebe eine lebendige Chorgemeinschaft, Sänger, die interessiert an neuen Impulsen sind und offen und bereit, zusammen mit mir neue und manche ungewöhnlichen Wege zu gehen“, beschreibt die Chorleiterin ihre ersten Erfahrungen mit dem Chor Cappella Nova.

„Cantate Domino“– zahlreiche Komponisten haben dem zugrundeliegenden Psalm 66 eine Melodie gegeben. Keine dürfte freudiger erklungen sein als die des zeitgenössischen litauischen Komponisten Vytautas Mikinis an diesem Vorabend zu „Jubilate“, dem dritten Sonntag nach Ostern. Ein besonderer Zauber liegt über Gottesdienst und Konzert. Es ist der Zauber des Neuanfangs. „Singt dem Herrn ein neues Lied“ – Auftrag, Appell, Ermutigung – auf jeden Fall für den Chor Cappella Nova eine Herzenssache. „Während der letzten Jahre hatte ich viel mit der Ausbildung junger Stimmen und Chöre zu tun. Jetzt freue ich mich auf die neue Aufgabe, mit einem erfahrenen Erwachsenenchor zu arbeiten“, erklärt Esther Witt.

Sensibel für Harmonie

„Welcher Ausdruck, welche Mannigfaltigkeit in den Tönen.“ Dieses überschwängliche Lob gilt nicht dem Chor. Es ist der enthusiastische Gefühlsausbruch des deutschen Komponisten und leidenschaftlichen Liebhabers der italienischen Oper, Johann Adolph Hasse, der 1727 in Venedig weilte und dort seinen italienischen Kollegen Antonio Lotti kennenlernte. In der Missa Brevis, der „kurzen Messe“, beweist Lotti, wie meisterhaft er die kontrapunktierte Kompositionstechnik beherrscht. Mit feinem Gespür für Harmonie und Rhythmus bringt der Chor Cappella Nova das reizvolle Wechselspiel der Stimmen zum Ausdruck und bereitet den Zuhörern ein außergewöhnliches Hörerlebnis.

„Ausgangspunkt meiner musikalischen Arbeit ist immer die Erweiterung stimmlicher Möglichkeiten. Deshalb ist Stimmbildung für mich ein wesentlicher Bestandteil der Probenarbeit“, beschreibt Esther Witt ihre Arbeit mit dem Chor.

Beim A-cappella-Gesang – ohne Begleitung von Instrumenten – wird die reine und exakte Intonation und klare Stimmführung deutlich. Traumhaft leicht schweben die Töne von „Beati quorum via“ durch den Kirchenraum. Mühelos realisiert der Chor den Sprung vom italienischen Barock zur englischen Spätromantik. „Wohl denen, die ohne Tadel leben, die im Gesetz des Herrn wandeln“ – mit der lateinischen Motette aus der Feder des irischen Komponisten Charles Villiers Stanford entfaltet sich vor den Zuhörern eine fantastische Klangfülle von zartestem Pianissimo bis hin zu volltönendem Forte. „Die Frage, mit welchen stimmlichen Mitteln ein homogener Chorklang und die jeweilige Klangsprache der Musik umgesetzt werden kann, stellt sich für mich bei jedem Werk neu“, beschreibt Esther Witt die Herausforderung, welche die sehr unterschiedlichen Chorsätze an Chorleiterin und Chor stellen.

Alles, was das Menschenherz bewegt – Freude und Not, Hoffnung und Verzweiflung bis hin zu Todesangst finden ihren Ausdruck. Der Boden unter den Füßen der Kirchenbesucher scheint zu wanken. Die Wände erzittern, öffnen sich und geben den Blick frei auf den See Gennesaret.

Ein furchtbarer Sturm peitscht die Wellen hoch auf, mitten in den wild tosenden Wassern ein kleines Boot, hin und her geworfen von den Fluten, darin ein paar Fischer, die um ihr Leben kämpfen.

Wenn die Angst übermächtig wird, wenn es um alles geht, wenn es ums Leben geht – wo bist dann du, Gott? – fragt Siegfried Strohbach in seiner 1957 komponierten Motette „Jesus, der Retter im Seesturm“. Aufwühlend, mit nervenzerreißender Spannung lässt der Chor ein Szenario abgrundtiefer Angst vor den Augen der Zuhörer erstehen. „Was seid ihr so furchtsam?“ – die Frage schwingt durch den Raum, scheint größer und größer zu werden und das ganze Kirchenschiff zu füllen.

Die dringlichste Bitte dieser Zeit

„Wenn Vertrauen wächst, legt sich der Sturm, wird der Mensch ganz ruhig“, greift Pfarrerin Regina Korn die Geschichte vom Seesturm aus dem Neuen Testament in ihrer Predigt auf. „Unser Vater im Himmel“ – schlicht und innig erklingen die Worte, die Gottfried August Homilius in einen vierstimmigen Satz gefasst hat. Zu Lebzeiten hochgeschätzt, geriet die Musik des Dresdner Komponisten und Schüler Bachs im Lauf der Jahre fast in Vergessenheit. Erst in jüngerer Zeit erlebt sie eine Renaissance und die verdiente Beachtung. Wo Vertrauen ist, gibt es Zuversicht.

Aus Zuversicht entstehen Dankbarkeit und Freude, die in der Motette von Felix Mendelssohn Bartholdy „Jauchzet dem Herrn, alle Welt“ ihren Ausdruck finden. Die Übersetzung des Psalms 100 stammt von Martin Luther. „Abend wird es wieder“ - tröstlich erklingt gegen Ende des Gottesdienstes das vertraute Abendlied. Kantor Lucas Ziegler begleitet Chor und Gemeinde an der Orgel.

Der Chor Cappella Nova beeindruckte an diesem Abend durch Präsenz und ausdrucksstarke Gestaltung. So wurde der Gottesdienst zu einem Erlebnis lebendiger, vielfältiger Kirchenmusik, was die Besucher mit langanhaltendem Applaus belohnten. Am Ende stand die dringlichste Bitte dieser Zeit. Mit Felix Mendelsohn Bartholdys Choralkantate brachte sie der Chor zum Ausdruck: „Verleih uns Frieden gnädiglich“.

Renate Henneberger

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